„Ich war ne leve jong, meistens.“

Nicht jeder Auftraggeber möchte seine Biografie veröffentlichen. Auch Walter Böhme aus Neuss wollte nur seiner Familie, vor allem seiner Enkelin, und seinen Freunden sein Leben erzählen. Am Ende wurde es eine Familienchronik.

Buch von Walter Böhme

Ein Auszug aus der Einleitung:

(…) Auch wenn jeder in vielfältiger Weise Produkt seiner Herkunft ist, haben manche Men­­schen doch das Glück, von ihr wenig belastet zu sein. Nicht durch Unkenntnis – die schützt nur scheinbar und vorübergehend davor, von der Vergangenheit einge­holt zu werden. Sondern einfach, weil es in solchen Fällen schlicht keine „vererbten Hypotheken“ gibt. Keine „Sünden“ im biblischen Sinne, menschliche Verfehlungen, die negative Auswirkungen (seien es praktische oder psychische) auf mehrere Gene­ra­tionen haben. Kein schweres Trauma, das von Kindern und Kindeskindern müh­sam abgetragen werden muss. Keine heldenhaften Vorbilder, an denen man sich mes­sen lassen muss. Solche glücklichen Menschen leben oft in einer Familien­tra­di­tion der „Nicht-Tradition“. Jede Generation ist sich selbst mehr oder weniger genug, bedarf keiner Überhöhungen, keiner großen Erklärungen.

Andere dagegen haben eine von politischen und persönlichen Verwerfungen durch­zogene Familiengeschichte, womöglich weit zurück dokumentiert, an der sie schwer zu tragen haben. Auch dann, wenn es große, stolze Traditionen sind. Sie fühlen sich dann verpflichtet, diesem Erbe gerecht zu werden. Doch wie wahr sind die tradierten Ge­schich­ten überhaupt? Zu Anekdoten, zu immer ähnlich wiederholten Sätzen geronnen, scheinen die darin enthaltenen Deutungsmuster, Charaktermodelle und Schicksals­auf­gaben auf ewig vorzugeben, wie es weitergeht… Ein solches Erbe anzu­nehmen wird zu einer (nicht selten schier über­wältigenden) Aufgabe. Lösen kann sie nur, wer sein Erbe „erkennt“. Wer sich, wohl oder übel, den Vorfahren zuwendet, ihr Schicksal betrachtet wie ein von weither gespanntes Geflecht, von dem so mancher Strang ins eigene Innere reicht. So kann die Familien­geschichte – wie eine Konstruk­tion, an der man sich mit seinen Gedanken und Gefühlen entlang hangeln kann – nach und nach entdeckt und „genutzt“ werden auf der Suche nach dem Verständnis des eigenen Selbst.

Nach Erkenntnissen für sich zu forschen und andern das Material dafür an die Hand zu geben – es war beides, was Walter Böhme bewogen hat, die vielen Familien­dokumente zu bewahren, zu ordnen und  all das, was ihm – im weitesten Sinne – dazu einfiel, über Jahre immer wieder schriftlich festzuhalten. Denn er gehört nicht zu den Glücklichen, die keine Familientradition haben. Aber er hat sich entschieden, zu den Glücklichen zu gehören, die über ihre Familientradition verfügen. (..)

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